Natürliche Toxine, Kontaminantien & Zusatzstoffe

zyklische Struktur von Cereulid
zyklische Struktur von Cereulid

Natürliche Toxine
Cereulid – das emetische Bacillus cereus Toxin
Bacillus cereus (B. cereus) ist eine in der natürlichen Umgebung weit verbreitete Bakterienart, die auch Lebensmittel kontaminieren kann. Im Falle hoher Keimzahlen ist es möglich, dass es nach dem Verzehr betroffener Lebensmittel zu Vergiftungen kommt. Diese sind die Folge von Enterotoxinen (Durchfall erzeugend) oder emetischen Toxinen (Erbrechen erzeugend), welche B. cereus ausbilden kann. Die emetische Erkrankung wird durch das hitzestabile und bereits im Lebensmittel ausgebildete Toxin «Cereulid» ausgelöst. Cereulid schädigt Mitochondrienmembranen und Leberzellen. Betroffen sind vor allem erhitzte bzw. vorgekochte Speisen, die nicht ausreichend gekühlt, bei zu tiefen Temperaturen warmgehalten oder zu lange bei Raumtemperatur stehen gelassen werden. Bei Keimzahlen von über 100'000 B. cereus Zellen pro Gramm Lebensmittel können Toxinmengen vorliegen, die gastrointestinale Symptome auslösen. Da vor allem
vorgekochte Lebensmittel eine Gefahr darstellen, bestehen für diese Produktkategorie (sogenannte hitzebehandelte, kalt oder aufgewärmt genussfertige Lebensmittel) gemäss Schweizerischem Lebensmittelrecht Richtwerte für B. cereus (Branchenleitlinien). Zur Abklärung von Lebensmittelvergiftungen mit Verdacht auf B. cereus-Intoxikation ist eine geeignete Methode nötig, die nicht nur den Erreger bzw. dessen Toxingen nachweist, sondern mit Hilfe derer auch das verantwortliche Cereulid-Toxin im Lebensmittel nachgewiesen werden kann. Letzteres ist darum wichtig, weil ein Erhitzen emetische B. cereus im Lebensmittel reduzieren bzw. abtöten kann und es dann mit Hilfe der üblichen kulturellen Nachweismethoden nicht immer mehr möglich ist, den Erreger und damit die Ursache einer solchen Lebensmittelvergiftung aufzuspüren. Das Kantonale Laboratorium Basel-Stadt hat eine direkte chemische Nachweismethode entwickelt, welche die quantitative Bestimmung des emetischen Toxins in Lebensmitteln ermöglicht.

Tropanalkaloide – die Pflanzentoxine der Nachtschattengewächse
Tropanalkaloide sind sekundäre Pflanzenmetabolite, die vor allem in Nachtschattengewächsen wie Stechapfel, Bilsenkraut und Tollkirsche weit verbreitet sind. Die wichtigsten Tropanalkaloide sind (S)-Hyoscyamin und (S)-Scopolamin. Atropin ist das racemische Gemisch von den (S)- und (R)-Enantiomeren von Hyoscyamin. (S)-Hyoscyamin und (S)-Scopolamin inhibieren die Bindung von Acetylcholin zu seinen Rezeptoren. Da Acetylcholin ein wichtiger Neurotransmitter ist, hat dies Folgen für die Herzfrequenz, Atmung und das Zentralnervensystem. Vergiftungssymptome dieser Stoffe umfassen Trockenheit von Schleimhäuten (verminderter Speichelfluss, Mundtrockenheit), Hautrötung, Unruhe, Pupillenerweiterung, in höheren Mengen Benommenheit, Sehstörungen, Desorientierung und Halluzinationen, Herzrhythmusstörungen sowie komatöse Zustände und Bewusstlosigkeit bis hin zum Tod durch Atemlähmung. In Mitteleuropa sind in den letzten 10 Jahren vermehrt Stechapfelsamen-verunreinigte Hirse- und Buchweizenprodukte in den Fokus geraten. In Ost- und Südeuropa ist der Gemeine Stechapfel (Datura stramonium) ein bekanntes Ackerunkraut und ist häufig in Hirse-, Buchweizen- und Maisfeldern anzutreffen. Er findet dort gute Entwicklungsbedingungen und wird von vielen Herbiziden nicht ausreichend erfasst. Demzufolge kann er sowohl in biologischen als auch in konventionellen landwirtschaftlichen Anbausystemen vorkommen. Die Stechapfelpflanze wird zeitgleich mit der Hirse reif und weil die Pflanzen bei der Ernte die gleiche Höhe haben, kann das Unkraut mitgeerntet werden. Eine einzige Stechapfelpflanze kann in ihren charakteristischen stacheligen Samenkapseln bis zu 20'000 Samen enthalten. Wenn sich die Samen ähneln - wie im Falle von Stechapfel und Hirse bzw. Buchweizen – nimmt das Risiko einer Getreideverunreinigung zu. Werden solche Agrarkontaminanten während der Getreideverarbeitung nicht ausreichend entfernt, können Tropanalkaloide in getreidebasierten Lebensmittel eingetragen werden. Im Juni 2015 wurde von der EU-Kommission ein Verordnungsvorschlag für Höchstgehalte von Tropanalkaloiden in getreidebasierter Babynahrung angekündigt, die Hirse oder Buchweizen enthält. Vorgesehen ist ein summarischer Grenzwert für die Tropanalkaloide Atropin und Scopolamin sowie Anforderungen an die analytischen Bestimmungsgrenzen für Tropanalkaloide. Das Kantonale Laboratorium Basel-Stadt hat eine Nachweismethode implementiert um Atropin und Scopolamin in Lebensmitteln und Nahrungsergänzungsmitteln quantitativ bestimmen zu können.

Ricin - das hochgiftige Pflanzenprotein des Wunderbaums
Der Wunderbaum (Ricinus communis) ist eine Nutzpflanze, aus welcher das wirtschaftlich bedeutende Ricinusöl gewonnen wird. Die bohnenähnlichen Ricinus-Samen sind vor allem reich an Öl und Protein und enthalten zwei Giftstoffe, das wasserlösliche, hitzelabile und hoch-giftige Protein Ricin sowie das thermostabile und weniger toxische Pyridin-Alkaloid Ricinin. Ricinin kommt, im Gegensatz zu Ricin, in allen Teilen der Pflanze vor. Die festen Rückstände, die in grosse Mengen aus der industriellen Ricinusölproduktion entstehen, werden nach Entgiftung durch Hitzeinaktivierung in der Regel zu Stickstoff-Biodünger (Ricinusschrot) verarbeitet oder Tierfuttermitteln beigegeben. Im Gegensatz zu Ricin lässt sich Ricinin nicht durch Hitzebehandlung inaktivieren. Um daher Presskuchen der Ricinuskerne als Tierfutter zu verwerten, muss Ricinin nach Zerstörung des Ricins durch aufwändige Extraktion entfernt werden. Die Symptome einer Ricinin-Vergiftung beinhalten Übelkeit, Erbrechen, Krämpfe, niedriger Blutdruck, Leber- und Nierenschäden und Atemnot. Im Gegensatz zu Ricin kann Ricinin bis zu 2 Tagen nach einer Exposition in Urin und Serum nachgewiesen werden. Damit ist Ricinin als Markersubstanz für Ricin geeignet. Das Kantonale Laboratorium Basel-Stadt hat eine Nachweismethode entwickelt, welche eine quantitative Bestimmung von Ricinin in Umweltproben, Lebensmitteln und Körperflüssigkeiten erlaubt.

Kontaminantien
Rückstände von Desinfektionsmitteln (Quartäre Ammoniumverbindungen)
Lebensmittelproduzenten verwenden unterschiedliche Mittel zur Reinigung und Desinfektion von Oberflächen, Geräten, Armaturen und sonstigen Einrichtungen, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen. In der Regel enthalten diese Präparate waschaktive Substanzen mit abtötender Wirkung gegen Bakterien und Pilze. In vielen Reinigungs- und Desinfektionsmitteln sind quartäre Ammoniumverbindungen (QAV) enthalten. QAV gehören zu den kationischen Tensiden. Die keimabtötende Wirkung ist nur dann gegeben, wenn die am Stickstoffatom gebundene Alkylgruppe eine Kettenlänge von 8 bis 18 Kohlenstoffatomen aufweist. Dann können sie sich in Zellmembranen von Mikroorganismen anreichern und deren Funktionen beeinträchtigen und schädigen. QAV weisen wegen ihrer oberflächenaktiven Eigenschaften eine gute Haftung auf Kunststoff- und Edelstahloberflächen auf. Somit entsteht ein Tensidfilm der nur durch ein gründliches Nachspülverfahren aus den Gerätschaften entfernt werden kann. Werden QAV aus vorangegangenen Reinigungen nicht komplett entfernt, können sie zu Rückständen in Nahrungsmitteln führen. Vor allem protein- und fettreiche Lebensmittel können aufgrund ihrer chemischen Struktur diese Wirkstoffe abtragen. QAV sind in der Schweiz noch nicht spezifisch geregelt in Lebensmitteln (Stand Feb 2016). Seit Nov 2014 gelten in der EU neue Rückstandshöchstgehalte für QAV darunter auch für die Substanzklasse der Benzalkoniumchloride (BAC) und Dialkyldimethylammoniumverbindungen. Mit der EU-Verordnung Nr. 1119/2014 wurden entsprechende Höchstgehalte für Lebensmittel durch eine Änderung von Anhang III der EG-Verordnung Nr. 396/2005 festgelegt. Danach gelten spezifische Rückstandshöchstgehalte für BAC (mit C8-, C10-, C12-, C14-, C16- oder C18-Ketten) und Dialkyldimethylammoniumverbindungen (mit C8-, C10- oder C12-Ketten) von je 100 µg/kg für alle Warenarten. Das Kantonale Laboratorium Basel-Stadt hat eine Nachweismethode implementiert um 18 QAV in Lebensmitteln quantitativ bestimmen zu können.

Milchprodukte gepanscht mit Melamin
Melamin und seine strukturverwandten Nebenprodukte sind Triazin-basierte synthetisch hergestellte Chemikalien, die in grossen Mengen produziert und hauptsächlich für industrielle Zwecke verwendet werden. Ein einziges Melamin-Molekül trägt sechs Stickstoffatome. Genau diese Eigenschaft wurde in der Vergangenheit missbraucht um mit der Zugabe von Melamin Tierfutter und Lebensmittel zu verfälschen. Der erhöhte Stickstoffgehalt täuscht einen höheren Proteinanteil vor, da die Bestimmung des Stickstoffgehalts nach Kjeldahl in der Lebensmittelanalytik als einfache, aber unspezifische Methode zur Ermittlung des Proteingehalts verwendet wird. Sofern keine weiterführende Analyse erfolgt, kann eine solche Verfälschung verborgen bleiben. Melamin kann in hoher Konzentration unlösliche Kristalle bilden, die in Form von Nierensteinen tödlich wirken können. Melamin und seine Nebenprodukte dürfen Lebensmittel nicht zugesetzt werden. Das Bundesamt für Gesundheit hat im November 2008 in einer Weisung festgelegt, dass Produkte, die für die besonderen Ernährungsbedürfnisse von Säuglingen und Kleinkinder bestimmt sind, nicht mehr als 1,0 mg Melamin/kg und alle anderen Lebensmittel nicht mehr als 2,5 mg Melamin/kg enthalten dürfen. Das Kantonale Laboratorium Basel-Stadt hat eine Nachweismethode entwickelt, welche die quantitative Bestimmung von Melamin und seinen strukturanalogen Nebenprodukten in Lebensmitteln ermöglicht.

Zusatzstoffe
Lebensmittelzusatzstoffe sind Verbindungen, die Lebensmitteln zur Erzielung chemischer, physikalischer oder auch physiologischer Effekte zugegeben werden. Sie werden eingesetzt, um Struktur, Geschmack, Farbe, chemische und mikrobiologische Haltbarkeit verarbeiteter Lebensmittel, also ihren Gebrauchs- und Nährwert, zu stabilisieren. Es können sowohl synthetische Stoffe sein, teils sind es auch natürliche Stoffe, die als Wirkstoff zugesetzt werden. Zusatzstoffe dürfen nur nach ausdrücklicher Zulassung verwendet werden. Eine Zulassung wird nur erteilt, wenn wissenschaftlich erwiesen ist, dass keine Gesundheitsrisiken bestehen, sie technologisch notwendig sind und den Konsumenten nicht täuschen. Darüber hinaus müssen Zusatzstoffe mit der Einzelbezeichnung oder E-Nummer kenntlich gemacht werden. Dafür vergibt die Europäische Union (EU) für jeden zugelassenen Stoff eine E-Nummer, die unter der Liste der in der EU zugelassenen Lebensmittelzusatzstoffe im Einzelnen verzeichnet sind. Ein Zusatzstoff muss gemäss guter Herstellungspraxis (GHP) verwendet werden. Die GHP gilt dann als eingehalten, wenn der Zusatzstoff in einer Menge verwendet wird, die nicht grösser ist, als es zur Erzielung der gewünschten Wirkung erforderlich ist und die Verwendung des Zusatzstoffs die VerbraucherInnen nicht irreführt. Für einige Zusatzstoffe bestehen zudem Höchstmengenbeschränkungen. Das Kantonale Laboratorium Basel-Stadt hat Nachweismethoden entwickelt, welche die quantitative Bestimmung von über 50 Farbstoffen und Konservierungsmitteln in Lebensmitteln ermöglichen.